Your Work Here.
Your Work Here.
Pascal Fendrich / Martin Plüddemann
Köln, 16.–20. November 2022
Ebertplatz / Hauptbahnhof / Bahnhof Deutz / ArtCologne
Eröffnung
16. November 2022 ab 20.00 Uhr
Ebertplatzpassage
Finissage
20. November 2022 ab 15.00 Uhr
Nikolausstr. 69–71 / Hinterhof
Gefördert durch die Akademie der Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Programms NEUSTART KULTUR
Gallery
Ebertplatz
Toilets of the Art Spaces at Ebertplatz
Art Cologne
Köln Hauptbahnhof / Cologne Main Station
Bahnhof Deutz / Messe, Köln
Finissage – Plakatwand Ivo Weber
About
Institutionskritik als Werbung. Die Arbeit Your Work Here von Pascal Fendrich und Martin Plüddemann im öffentlichen Raum
Wir kennen sie alle, die riesigen Billboards und LED-Screens, die sich uns als Benutzer·innen im Stadtraum aufdrängen, die zentralen Plätze besiedeln und unsere Umwelt visuell „verschmutzen“. Sie schreien ihre Werbebotschaften in den Raum hinein und wollen nur eins: wahrgenommen und gesehen werden.
Zur diesjährigen Art Cologne begegnen den Besucher·innen Billboards, die sich auf den ersten Blick in die Werbelogik der großformatigen Plakatflächen einreihen und diese erst im zweiten Moment unterlaufen: Auf den großformatigen Werbeflächen am Ebertplatz können die Stadtbenutzer·innen auf weißem Grund in schwarzen Lettern die lapidare Botschaft lesen: „Hier könnte Ihre Arbeit hängen!“ Man kennt diese Art Plakate: Sie sind dann zu sehen, wenn die Plakatwände ihre eigentliche Funktion verfehlen, d.h., wenn kein Unternehmen diese gemietet hat, um darauf seine Werbung zu zeigen. Im Konjunktiv weisen die Eigentümer der großformatigen Werbeflächen auf den Zweck und die Aufgabe der Billboards im öffentlichen Raum hin: „Hier könnte Ihre Werbung stehen!“ Der Satz wird im Kopf fortgeführt: „Hier könnte Ihre Werbung stehen, wenn Sie diese Werbefläche anmieten und mit Ihrer Botschaft versehen würden.“
Die beiden Kölner Künstler Pascal Fendrich und Martin Plüddemann adaptieren das bekannte Plakat und deuten es um: „Hier könnte Ihr Werk hängen!“ rufen Sie den Künstler·innen und Rezipient·innen zu. Wenig aufdringlich, in der simpelsten Form – der allgegenwärtigen Schriftart Helvetica – Schwarz auf Weiß – ist die klare Botschaft formuliert. Sie umgibt die Stadtbenutzer·innen und ist als deutliches Signal zu verstehen. Die Künstler nehmen damit direkten Bezug sowohl zur Welt der konsumbewerbenden Medien, als auch zum Kunstbetrieb. Ab dem 16.11.2022 können die Billboards sowohl am Ebertplatz, einem der Hot Spots der Kölner Kunstszene, auf den sechs großformatigen Werbeflächen, als auch am Kölner Hauptbahnhof und am Deutzer Bahnhof als digitale Textbotschaften auf den sechzig(!) Electronic Billboards simultan betrachtet werden.
Der Zeitpunkt, aber auch die Präsentationsorte sind klug und bewusst gewählt: Am 16.11.2022, pünktlich zur Vernissage der Ausstellung im öffentlichen Raum, öffnet – wie jedes Jahr – die Art Cologne, die älteste Kunstmesse der Welt und eine der wichtigsten Kunstmessen Deutschlands, ihre Tore. Galerist·innen, Kunstinteressierte, Sammler·innen und Künstler·innen aus ganz Deutschland und Europa strömen dann nach Köln, um Netzwerke zu pflegen und auszubauen, sich zu zeigen und auch, um Kunst zu kaufen und zu verkaufen. Die Art Cologne ist nicht nur ein Highlight des alljährlichen Kunstbetriebs im Rheinland, sondern eine der absatzstärksten Kunstmessen Deutschlands. Laut Statistik hat der Kunstmarkt weltweit einen unfassbaren Boom erfahren; im Jahr 2019 wurden 64,1 Milliarden Euro weltweit auf dem Kunstmarkt umgesetzt und erstaunliche Summen erzielt.¹ Doch bevor die Besucher·innen der Art Cologne das Messegelände betreten, kommen sie am Hauptbahnhof in Köln oder am Deutzer Bahnhof an. Dort werden sie von Fendrichs und Plüddemanns medial vervielfachtem Kunstwerk mit der Botschaft begrüßt: „Hier könnte Ihre Arbeit hängen!“ Gezielter kann diese interventionistische Arbeit nicht gesetzt werden.
Doch trotz ihres wirkungsvollen künstlerischen Auftritts, den Fendrich und Plüddemann mit ihrem Kunstwerk bzw. ihrer künstlerischen Intervention Your Work Here, bereiten, entziehen die Künstler das Werk gleichzeitig diesem Kunstspektakel. Denn obwohl das Werk weithin sichtbar ist, kann es nicht erworben werden. Es ist vielmehr als Kunstaktion zu verstehen, die die Mittel der Werbung benutzt, um auf das größte Kölner Kunstereignis des Jahres zu verweisen, ohne es explizit zu nennen: die Art Cologne. Indem die Künstler jedoch nicht direkt, sondern vielmehr durch den Zeitpunkt ihrer Präsentation, der Art Cologne gedenken, schlagen sie der Kunstmesse in mehrfacher Hinsicht ein Schnippchen: Jede·r kunstinteressierte und -informierte Besucher·in liest das Billboard sofort im Zusammenhang der Kunstmesse und doch ist es an alle, d.h. an die gesamte Stadtgesellschaft und nicht ausschließlich an die Künstlerschaft adressiert: Mit der Ansprache und Aufforderung an die Vielzahl der Künstler·innen, sie könnten ihre Arbeit auf den Billboards präsentieren, konkretisiert sich jenes Paradoxon, mit dem beide Künstler spielen: Einerseits der Entzug des Werkes aus dem Kunst- und Kulturbetrieb (der Art Cologne) und andererseits die Bedeutungsgenese und Spektakularisierung der Kunst, wie sie in den letzten Jahren und spätestens seit der Ära der Young British Artists kontinuierlich zunimmt. Dabei ermöglicht genau jener Entzug gleichsam die Generierung von Aufmerksamkeit und dies, ohne die Institution Kunst betreten zu müssen und ohne im eigentlichen Sinne spektakulär zu sein. Zwar skalieren die Künstler ihre Botschaft auf die maximale Größe einer Werbetafel, doch bleibt sie – im Kontext und in Hinsicht auf die Mechanismen der Werbeästhetik – in ihrer Einfachheit und Multiperspektivität denkbar unspektakulär.
Indem Fendrich und Plüddemann ihre Arbeit in der urbanen Szenerie der Massenmedien platzieren, wird das Kunstwerk ein Teil von ihnen. So entfremden Fendrich und Plüddemann durch die mediale Dislokation der Kunst diese von sich selbst oder machen andersherum die Werbung zum Stilmittel einer institutionskritischen Attitüde. So kann die Arbeit als Riss im Gefüge des Kunstmarktes gelesen werden: Sie ist weit weg, unantastbar, in gewisser Hinsicht nicht greifbar und arbeitet gleichzeitig mit dem medialen Impetus des Kunstmarktes. Die Arbeit ist somit einerseits institutionskritisch und als Kommentar zur Art Cologne zu verstehen, andererseits ist sie Teil des medialen Illusionsapparats, der den öffentlichen Raum überformt und unsere Wahrnehmung prägt.
Fendrich und Plüddemann präsentieren ihre Kunst am Kreuzungspunkt zwischen Kunst, Kommerz, öffentlichem Raum und (trivialem) Text. Das Werk generiert – wie viele konzeptionelle Arbeiten – seine Bedeutung genau an jener lokalen und temporalen Schnittstelle, die sich zwischen Medialität, Urbanität, Kunst und Semiotik ereignet und sich gleichzeitig dort erst entfalten kann. Und genau darin liegt ihre Kraft: Durch die Dislokation der Kunst in die mediale Welt der Werbung wird die Sprengkraft der Kunst spürbar – als Negation des Kunstmarktes und des Konsums, der sie sich verweigert und somit zum Vehikel des Diskurses über die Kunst und sich selbst wird.
1 https://de.statista.com/themen/594/kunstmarkt/#topicHeader__wrapper, letzter Besuch: 7.11.2022.
Epilogue
Während der Art Cologne im November 2022 haben Pascal Fendrich und Martin Plüddemann die dort in den Herrentoiletten befindlichen Schnellwechselrahmen, in denen sonst Werbung präsentiert wird, mit einem Plakat versehen, das die Aufschrift „Hier könnte Ihre Arbeit hängen“ trug. Vor Ort hat eine unbekannte Person eines der Plakate umgedreht und „Wow Thanks!“ auf die Rückseite geschrieben. Die etwas unbeholfene Zeichnung, die den Schriftzug in fetten Buchstaben mittels einer Kugelschreiber-Outline darstellt, ist eine spontane Reaktion auf die Arbeit von Fendrich und Plüddemann, die in ihrer schlichten Ausdrucksstärke Bezug auf deren Typografie nimmt. Gleichzeitig hat sie durch ihre unpräzise händische Ausführung den Charakter eines ironischen Kommentars. Da sie außerdem in zwei einfachen Worten begeisterten Dank ausdrückt, fasst sie alles zusammen, was sich die beiden Künstler für ihr Projekt erhofft haben. Aus diesem Grunde bestücken sie am 8.1. die Plakatwand am Ebertplatz mit einer Abbildung dieses Statements und bringen ihr Projekt damit zum Abschluss.
Contact
Pascal Fendrich / Martin Plüddemann
Atelier Sechzigstraße
Sechzigstraße 6
50733 Köln
Special Thanks
Vielen Dank an Thomas Luppa von der Firma Ströer für die freundliche Bereitstellung von Werbeflächen, an die Kunsträume in der Ebertplatzpassage und den Brunnen e.V. für die bereitwillige Kooperation, an Helle Habenicht vom Kulturamt der Stadt Köln für die Koordination und die Vermittlung wichtiger Kontakte und an Ivo Weber, der uns seine kuratierte Plakatwand für die Finissage zur Verfügung stellt.